Klarinetten im Orchester

Klarinettenregister - Teil einer Besetzung

In verschiedenen Arten von Orchestern gibt es unterschiedliche Klarinettenregister (also Klarinettengruppen); vom Bläserquintett mit einer, dem Kammerorchester mit zwei B-Klarinetten bis hin zu sehr vielen (bis 30) beim großen symphonischen Blasorchester; da sind dann alle Typen von Es- bis Kontrabassklarinette vertreten.

In der Partitur, also den Noten, die einem Dirigenten den Überblick über das Orchester geben, findet man die Klarinetten bei den Bläsern und dort unter den Holzbläsern, sortiert von der der höchsten Klarinette bis zur tiefsten:

In einer typischen Besetzungs-Liste für ein Symphonieorchester kann zum Beispiel folgendes stehen:

Holz: 2, 3(2,1), 4(1,2,1), 2, ...

Das heißt dann: es gibt 2 Flöten, 3 Oboen (genauer: 2 Oboen und ein Englisch Horn = tiefe Oboe), und vier Klarinetten (nämlich eine Es-Klarinette, zwei A/B-Klarinetten und eine Bassklarinette), 2 Fagotte ...

Wo findet man die Klarinette im Orchester?

Die Sitzanordnung folgt meistens einem klassischen Aufbau. Dieses Muster beruht ursprünglich auf einer Anordnung, die Beethoven eingeführt hat, damit die Zuhörer seine Symphonien (wo - wie der Name sagt - die Instrumente zusammen klingen müssen) wirklich als Gesamtklang hören konnten. Wenn jeder sitzt, wo es ihm oder ihr gefällt, ginge das nicht.

Beethoven hat also die Instrumente nach Lautstärke und Zugehörigkeit zu Gruppen sortiert. Die lautesten Instrumente saßen dann ganz hinten, die leisesten vorn. Eine Geige schafft im Fortissimo mal gerade 0,001 Watt, eine Flöte 0,013 Watt und eine Tuba 0,28. Durch die Anordnung hintereinander können wir als Zuhörer von jedem Instrument etwas mitbekommen, denn das menschliche Gehör ist in der Lage, Klänge aus der Nähe stärker wahrzunehmen als solche aus größerer Entfernung.

Bild: Sitzordnung klassisch

Die Aufstellung wird immer von vorne, vom Dirigenten aus betrachtet. Die klassische Anordnung der Instru­mente geht ausser von vorn nach hinten auch noch von links nach rechts (manche sagen auch: von wichtig nach weniger wichtig): "Konzertmeister" ist der erste Geiger vorne links. Hinter ihm kommen die anderen ersten Geigen, rechts die etwas tiefer spielenden zweiten Geigen, dahinter Bratschen, Celli und Bässe (im Bild blau). In Reihen oder Blöcken - je nach Platz - folgen die Bläser. Wenn möglich, sitzen die Bläser erhöht, damit der Dirigent sie hinter den Streichern noch sehen kann. Die Piccolo-Flöte (grün) ist das höchste Holzblasinstrument, daneben die Flöte, die Oboe und das Englisch Horn (gelb - erste Bläserreihe), dahinter Es-Klarinette, B-Klarinetten, Bassklarinetten (rot), Fagotte und Kontrafagotte (braun - zweite Bläserreihe). Blech (Violett) und Schlagzeug dahinter. Dabei sitzt das Blech aber oft umgekehrt, also die Tuben eher zur Mitte.

Entsprechend sitzen die Klarinetten auch nach Höhe sortiert von von links nach rechts. Im klassischen Symphonieorchester gibt es (falls gefordert) eine Es-Klarinette, meistens zwei bis drei A- oder B-Klarinetten (1., 2., 3. Klarinette), nach Bedarf Altklarinette und Bassklarinette. Die Bassklarinetten sitzen daher nahe an den ebenfalls tiefen Fagotten, die wiederum nahe bei Celli und Bässen sind.

Es gibt viele Abweichungen zur dieser Aufstellung. Weil eine Umsetzung immer erhebliche Umstellungen und Unruhe in ein Orchester bringt (es ist wichtig, dass die Musiker alle anderen hören, nicht nur, um rechtzeitig ihre Einsätze zu finden, mit anderen perfekt gemeinsam zu spielen oder sehr leise Teile nicht zu überhören) ändert man die Sitzordnung nicht ohne triftigen Grund; selbst wenn das Vorteile hätte. Die sogenannte "Amerikanische Sitzordnung" die auch bei uns verbreitet ist, bei der die zweiten Geigen nicht rechts, sondern hinter den ersten sitzen, beruht angeblich auf den Problemen bei den ersten Tonaufnahmen. Sie ist klanglich deutlich ungünstiger als die klassische (deutsche). Aber wegen des Beharrungswillens der Musiker bleibt man dabei.

Neben dem Aspekt, dass der Dirigent und das Publikum (und immer mehr auch die Mikrofone) optimal hören, gibt es natürlich noch das Ziel, dass sich die Musiker gegenseitig hören können. Bei den Holzbläsern führt die klassische Aufteilung dazu, dass der erste Klarinettist zwar direkt hinter der ersten Flöte, aber weit weg von der ersten Oboe und dem ersten Fagott sitzt. Besonders anspruchsvolle, sehr solistisch besetzte Stellen werden dadurch schwieriger. Es wird viel einfacher, wenn die "Ersten" nahe beieinander sitzen, also innen: Dann sitzen direkt vor dem Dirigenten und nebeneinander 1. Flöte und 1. Oboe, direkt dahinter 1. Klarinette und 1. Fagott, also alle direkt beisammen.

Dabei strahlen Bläser ihren Ton vor allem nach vorne ab; das bedeutet, dass man Musiker hinter sich besser hört als die vor sich. Sitzen Gruppen in mehreren Reihen, kann man die Musiker vor sich zwar gut sehen, aber schlecht hören.

Manchmal gibt auch der Raum die Aufstellung vor: z.B. bei "Last Night of the Proms" in London (kennt man vielleicht aus dem Fernsehen) sitzen oft alle Holzbläser in einer Reihe; dann folgen also auf die Oboen direkt die Klarinetten. Das kann aber wegen der Entfernung zwischen einzelnen Gruppen noch ungünstiger sein als die klassische Aufstellung.

In einem Operngraben sitzen die Musiker so dicht beieinander, dass man nur sehr wenig Rücksicht auf optimale Positionen nehmen kann. Der Klang tritt ohnehin umgelenkt in den Zuhörerraum aus. Hier tragen viele Musiker Hörschutz und kurze Hosen, die Luft ist am Ende der Aufführung schlecht und die Stimmung nicht immer Optimal. Applaus bekommen die Sänger. Richard Wagner war so genervt von den üblichen Opernhaus-Verhältnissen, dass er sein eigenes Opernhaus in Bayreuth baute, um endlich mal mit vernünftig großen Besetzungen spielen zu können.

Die klassische Sitzordnung hat übrigens noch einen ganz entscheidenden Nachteil für die Klarinettisten, die rechts sitzen: Sie haben Posaunen und eventuell auch Trompeten direkt hinter sich. Das sind sehr laute Instrumente, und sie strahlen auch noch gerichtet nach vorn (anders als Hörner), direkt auf die Ohren der Klarinettisten. An lauten Stellen empfiehlt sich daher manchmal ein Gehörschutz (kein Scherz! Profis benutzen den recht oft).

Wenn eine Solostelle von der Klarinette gespielt wird, wird das in der Regel der erste Klarinettist machen (sitzt am zweiten Platz, wenn es eine Es-Klarinette gibt, sonst ganz links). Wenn aber ein Klarinettenkonzert mit Solist gegeben wird, dann wird dieser nicht bei den "gewöhnlichen" Klarinetten sitzen, sondern vorne auf der Bühne stehen, direkt neben den ersten Geigen, beim Dirigenten, wie andere Künstler bei Solokonzerten auch.

Im Blasorchester

Blasorchester verwenden die Klarinetten anstelle der hohen Streicher (Geigen und Bratschen, zum Teil auch für Cellostimmen - entsprechend gibt es dort viele Klarinettisten, typischerweise also eine Es-Klarinette, eine Solo-Klarinette, 4 erste, 4 zweite, 4 dritte Klarinetten, eine Altklarinette, zwei Bassklarinetten, gelegentlich eine Kontrabass- oder eine Kontra-Altklarinette. Die Streicher (mit Ausnahme des Basses) fallen weg, aber die übliche Anordnung des Orchesters bleibt erhalten: Flöten und Oboen bleiben vorne in der ersten Reihe. Die Klarinettisten sitzen meist in mehreren Reihen dahinter (links), daneben die Fagotte. Hinzu kommen noch Saxophonisten (Sopran, Alt, Tenor, Bariton). Da sie die tiefen Streicher ersetzen, werden sie meist rechts gegenüber den Klarinetten aufgestellt. Aus stimmlichen Gründen passen sie aber auch sehr gut hinter die Klarinetten und vor die Hörner.

Das Blech bleibt so angeordnet, wie es im Symphonieorchester ist. Blasorchester haben aber oft noch andere tiefe Blechblasinstrumente wie Tenorhorn und Euphonium, die dann entsprechend zwischen Posaunen und Tuba zu finden sind. Typischerweise nimmt der Streich-Bassist einen Platz neben der Tuba (oder den Tuben) ein, das ist sinnvoll, weil sie meist sehr ähnliche Stimmen haben und sich so besser hören können.

Big Band und (Tanz-)Combos

Im Tanz- und Unterhaltungsorchester und der Big Band werden Klarinetten und Saxophone wegen des gleichen Mundstücks und der ähnlichen Technik meistens von den selben Musikern gespielt. Hier gibt es ohnehin nur ein oder zwei Klarinetten (nur wenn man im Glen-Miller-Stil spielt, sind es mehr). Bigbands saßen klassischerweise in einer Reihe nebeneinander, damit sie nicht so viel Platz im (Tanz)Saal wegnahmen (der Platz wurde ja zum Tanzen gebraucht). Wenn es eine Bühne gibt, werden Bigband und Tanzorchester aber auch oft so angeordnet, wie oben beschrieben. Durch die Möglichkeiten der elektronischen Verstärkung sind diese Orchester aber im Prinzip bei der Sitzordnung von akustischen Regeln fast völlig frei, so dass sie oft eher nach optischen Gesichtspunkten gehen (der Saxophonsatz und die Posaunen machen meist etwas mehr her als Flöten). Hübsche Streicherinnen (siehe Andre Rieu oder das Palastorchester) dürfen auch gerne vorne sitzen.

Klarinetten im Bläserquintett

Das Bläserquintett ist in der Regel folgendermaßen besetzt:
Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Waldhorn.
Die Bläser sitzen so auch von links nach rechts in einem Halbkreis, der zu den Zuhörern hin offen ist, so dass sie sich auch gegenseitig optimal sehen und hören können. Das gleiche gilt für kleinere Klarinettenchöre, die es auch in allen Größen gibt.

Popmusik und Jazz

Im Pop, Rock und Jazz wird die Klarinette immer mehr vom Saxophon verdrängt. Das Saxophon hat hier Vorteile: Es ist leichter zu lernen, man kann lauter spielen und es sieht besser aus. Das ist natürlich auch Geschmackssache - aber ein Tenorsax macht optisch einfach etwas her. Eine entsprechend aussehende Bassklarinette kann leider nur im Sitzen gespielt werden - wie sieht das denn aus? Und im Ernst: Instrumentalmusiker, die man auf MTV sieht, stehen ja nur im seltensten Fall im Verdacht, wegen ihrer musikalischen Kompetenz gezeigt(!) zu werden. Was man hört, steht dann noch auf einem ganz anderen Blatt bzw. kommt von einem anderen Datenträger... Der Nachteil des Saxophons gegenüber der Klarinette, nämlich der wesentlich kleinere Tonumfang, fällt hier ohnehin nicht ins Gewicht.

Tip: Willst Du in der Band mitspielen, erwähne besser nicht unnötig Deine Klassik-Aktivitäten, bestenfalls so nebenbei als Hintergrund, quasi als "Jugendsünden". Rocker und Jazzer nehmen Klarinettisten mit klassischem Hintergrund nämlich nur selten ernst, und Notenkenntnisse stören da schon mal ;-)

Kleine Orchestersoziologie - mit Blick auf die Klarinette

(Diesen Abschnitt bitte nicht zu ernst nehmen!)

Innerhalb der Orchester als Gruppe gibt es Teilgruppen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede haben wie in allen menschlichen Gruppen und Teilgruppen. Die Teilgruppen betrachten andere Teilgruppen mit bestimmten Vorurteilen, die nicht immer voll zutreffen, manchmal auch absurd sind, die auch von Gesamt-Gruppe zu Gesamt-Gruppe (also von Orchester zu Orchester) abweichen, aber erstaunlicherweise rund um den Globus ziemlich vergleichbar sind, fast immer dem gleichen Muster folgen und die man kennen sollte.

Gruppen innerhalb des Orchesters (stark vereinfacht)

Das Orchester teilt sich in Streicher und Bläser (von Percussionisten, Pianisten, Harfe etc. mal abgesehen), manchmal gibt es auch einen Chor. Diese Gruppen sind musikalisch in der Regel in sich geschlossen, sie proben auch oft getrennt voneinander. Geht ein Orchester in eine Kneipe, sitzen für gewöhnlich (natürlich kann es auch mal ganz anders sein) immer die Teilgruppen beisammen.

So bilden sich sehr stabile Vorurteile in der Sichtweise der Gruppen aufeinander (und die man auch an beliebten Musikerwitzen immer wieder aufgewärmt sieht): Während die Streicher im Orchester erst in der großen Gruppe wirken, also Tutti-Instrumentalisten sind, kann man jeden Bläser einzeln heraushören. Viele Streicher haben bereits mit drei Jahren angefangen, ihr Instrument zu üben. Das ist zum Beispiel bei Tubisten oder Fagottisten erst viel später möglich.

Streicher sehen oft voll Neid auf Bläser, die auch heute nicht jeden Tag sechs Stunden üben, und die dann auch noch an ihrer unwichtigsten Stelle deutlich zu hören sind. Der Tubist auf der anderen Seite packt sein Instrument nach dem Konzert ein und geht noch eine Runde im Bierzelt spielen, wobei seine Gage nebenbei bemerkt locker das doppelte von dem betragen kann, was der Streicher im Konzert bekam (und wofür er eine Woche intensiv üben musste). Der Streicher kompensiert das dann dadurch, dass er sich für etwas Besseres hält.

Gleiche Vorurteile gibt es dann auch innerhalb der Bläser zwischen Holz- und Blechbläsern: Die Holzbläser sehen ähnlich auf die Blechbläser wie die Streicher auf die Bläser und umgekehrt. Holzbläser gelten den Blechbläsern als vergeistigt und Holzbläser sehen gern auf Blechbläser herab. Wahr ist, dass die Blechbläser - Ausnahme sind Hörner - in klassischen Werken meist zu kurz kommen - die Blechbläser haben meist Pause. Typisch: Für die Geigen hat der Stimmauszug der Oper 32 Seiten, für die Posaunen passt die Oper auf ein Blatt, und das ist fast alles in den letzten Minuten...

Innerhalb der Holzbläser sind die Klarinettisten in der Regel die "lockersten"; ist doch ihr Instrument auch das einzige, dass es in nennenswertem Umfang in die Unterhaltungsmusik und den Jazz geschafft hat. Der Oboist oder Fagottist hat ausserhalb des Orchesters kein Betätigungsfeld, wenn er nicht gerade ein Bläserquintett gründet (kein Wunder, dass es davon so viele gibt). Klarinettisten können in der Bigband oder der Dixielandkapelle ebenso mitspielen wie im Tango-Ensemble.

Ausserdem gibt es eine musikalische Rivalität zwischen Oboe und Klarinette: Ging im Barock die Melodie von den Geigen an die Flöte und dann über die Oboe an die Streicher zurück, so ist jetzt die Klarinette in der Regel mit dabei. Von allen Holzblasinstrumenten ist sie das vielseitigste und fast so ausdruckststark wie die Oboe. Die besten Solostellen in der Klassik sind auf Oboe und Klarinette verteilt, und je jünger das Werk, desto eher hat die Klarinette die Führung.

... und die Moral von der Geschicht'?

Um Missverständnissen vorzubeugen: Gute Musiker wissen natürlich, dass sie erst als perfekt zusammenarbeitendes Team etwas wert sind - das Ensemble ist eben nur so gut, wie das schwächste Mitglied (und "schwach" meine ich hier im Bezug auf die Anforderungen). Das kann der Triangelspieler sein, der Paukenist (dann hört es leider jeder) oder die erste Klarinette.