Das Blatt: Ein sensibler Schwingungserzeuger

Das Blatt und das Mundstück, auf dem es befestigt ist, ergeben zusammen den Schwingungs­erzeuger der Klarinette. In Kombination sind sie der wichtigste und individuellste Teil einer Klarinette.

Klarinetten haben ein einfaches Rohrblatt, genau wie Saxophone, und im Gegensatz zum Doppel­rohrblatt bei Oboe und Fagott (Vergleich).

Blätter sind Verbrauchsartikel - leider! Wir Klarinettisten müssen damit leben, dass man ein Blatt möglicherweise erst aufwändig vorbereiten muss, und es dann immer nur begrenzte Zeit spielen kann, typischerweise ein paar Monate. Es wird dabe immer etwas leichter, bis es irgendwann mal zu leicht ist und quietscht, oder reißt. Und von nichts hängt der Klarinettist so ab wie vom Zustand seines Blattes. Dieser Zustand kann sich leider schnell verändern.

Andere Musiker haben es da viel besser: Das Blechblasinstrumenten-Mundstück wird einmal gekauft und hält dann Jahrzehnte. Man nimmt eine Trompete aus dem Koffer, steckt das Mundstück drauf (macht es eventuell noch warm) und ohne große Umstände geht es sofort los! Wir können uns damit trösten, dass andere, vor allem Oboisten und Fagottisten noch viel mehr mit ihren Blättern kämpfen müssen, die darüber hinaus auch noch viel teurer sind und dann gibt es ja noch Harfenistinnen, die schon mal einen Lastwagen und zwei Freiwillige für jeden Transport ihres Instruments brauchen und eine halbe Stunde Zeit zum Nachstimmen, sobald sie in einen anderen Raum gegangen sind, irgend jemand eine Tür geöffnet hat oder ein Fenster (beliebter Harfenwitz ;-)


Inhalt

Material und Herstellung
Fiberreed, Carbon & Co
Die Rolle des Blatts bei der Tonerzeugung
Physische Anforderungen an Blätter
Stärkeklassen (Härte)
Kauf und Hersteller
Umgang mit Blättern

Links auf andere Kapitel

Bearbeiten von Blättern
Befestigen des Blatts auf dem Mundstück

Material und Herstellung

Blätter sind nicht besonders teuer - um die 2 bis 3 Euro pro Stück, je nach Typ und Instrument, Bass- und Contrabass-Blätter natürlich mehr. Sie haben einen erheblichen Einfluss auf den Klang des Instruments und damit den Spaß am Spielen. Ihre Qualität hängt sehr stark von Material und Herstellung ab.

Nur wenige Klarinettisten sind völlig zufrieden mit den Blättern, mit denen sie gerade spielen, und wenn das Instrument quietscht, wird die Schuld gern dem Blatt gegeben - meist ist da auch was dran. Blätter verändern sich beim Spielen oder bei Temperatur- und Wetter­umschwüngen, man schleift daran herum, bekommt sie halbwegs hin, und dann werden sie mit der Zeit immer "leichter" oder "weicher", bis man sie nicht mehr benutzen kann. Sie bekommen im Alter auch mal Risse oder die Spitze wellt sich. Sie sind eben das sensibelste Teil an einer Klarinette. Da ist es hilfreich, möglichst gut Bescheid zu wissen.

Das natürliche Blatt - Arundo Donax

Das klassische Blatt wird aus dem Rohr eines Schilfgrases gewonnen, dem Arundo Donax. Es kommt vor allem am Mittelmeer vor und wird dort - vor allem in Südfrankreich - in großem Stil für Instrumentenblätter angebaut. Mittlerweile gibt es solche Farmen auch in Lateinamerika. Die Pflanze ist Bambus recht ähnlich. Das Rohr wächst in einem Jahr zur vollen Größe, immerhin etwa 3 Meter hoch, man lässt es dann noch etwas stehen. Die anfänglich grünen Triebe verholzen schnell und werden dann gelb und hart. Wenn man das geschnittene Rohr nach der Ernte an der Luft in offenen Lagerhallen um die zwei Jahre lagert, wird es etwa so hart wie Bambus.

Im Inneren ist das Rohrholz aus langen, parallel zueinander liegenden hohlen Blattfasern aufgebaut, die miteinander verklebt sind. Das macht die elastischen Eigenschaften der Pflanze und später des Blattes aus. Wenn das Holz abgelagert wird, trocknet dieser Verbund aus und wird sehr hart. Am Ausstich eines Blattes sieht man die Enden der einzelnen Fasern schon mit bloßem Auge. Noch besser kann man sie im Mikroskop erkennen - hier sieht man, dass diese Fasern im Inneren hohl sind. Das Bild zeigt den Querschnitt.

Aus dem Rohr schneidet man (maschinell) rechteckige flache Stücke Holz, für B-Klarinetten etwa 7cm * 1cm * 0,4cm. Bei den anderen Klarinetten wird es entsprechend größer oder kleiner.

Blatt (Bassklarinette) - Seite

Das Stück wird an der Unterseite maschinell völlig eben gehobelt und geschliffen. An der Oberseite wird es zu einem Ende hin abgeflacht, so dass es nur noch 0,08 mm dick ist. Die Toleranzen dieser Maschinen sind extrem gering (4/1000 mm). Weil das Blatt aber ein Teil einer Pflanze war, die in der Natur gewachsen ist und zum Beispiel eine Sonnen- und eine Schattenseite hatte, manchmal auch mehr oder weniger feucht stand, sind keine zwei Blätter gleich, obwohl die Abmessungen identisch sind.

Mechanische Kopie oder CNC-Fräse - wie der Ausstich entsteht

Traditionelle Hobelmaschinen haben auf der einen Seite einen Abtaster, der über eine metallene Blattform als Schablone gleitet, auf der anderen Seite überträgt ein Hobel oder eine Fräse die Form der Schablone auf das Blattholz. Es entstehen Rohlinge - sehr genaue Kopien der Vorlage. Um eine andere Blattform herzustellen, muss man die Vorlage wechseln.

Moderne computergesteuerte Maschinen (CNC-Maschinen) haben die Vorlage als digitales Modell gespeichert - der Rechner steuert die Bewegung der Fräse. Sie könnte praktisch jede Form erzeugen, die man programmiert, also auch jedes Blatt anders, wenn man möchte. Mit dem Einsatz dieser Maschinen könnte also theoretisch schon heute jeder Klarinettist seine für ihn individuell optimierten Blätter preiswert herstellen lassen. Der Artikel in MZL beschreibt das im Detail. Praktisch scheitert das noch an der Menge an möglichen Kombinationen der Parameter, der Übertragung der Profile und der Logistik - denn dann muss der Hersteller für jeden Kunden die Packung individuell zusammenstellen, etikettieren und adressieren. Das macht die Packung natürlich etwas teurer als Großserien. Im Zeitalter von Kleinstserien und Versendern wie Amazon sollte sich das aber auch in den nächsten Jahren lösen lassen, wenn der Bedarf wirklich da ist.

Je nachdem, welche Kurve der Ausstich, also die gehobelte Abflachung hat - also wie stark das Blatt an den einzelnen Stellen ist - und wie elastisch und hart das Material ist, hat das Blatt dann zusammen mit Mundstück und Instrument (und nicht zu vergessen: dem Spieler) bestimmte Klangeigenschaften. Es wird ausprobiert (automatisiert oder von Hand) und dann nach bestimmten Stärken sortiert und verkauft.

Kunststoffblätter: Fiberreed, Carbon und ähnliche Entwicklungen

Schon seit langem gibt es Experimente mit verschiedenen Materialien, um die sensiblen, natürlich gewachsenen Blätter durch zuverlässigere, technisch hergestellte zu ersetzen. Die sollen die immer gleichem Ansprech-Eigenschaften und möglichst einen nimmermüdem Klang bekommen. Experimente mit Plexiglas und ähnlichen Stoffen schlugen fehl, weil die Schwingungseigenschaften dieser Materialien nicht annähernd dem entsprachen, was man sich erhoffte.

In den letzten Jahren gibt es hier deutliche Fortschritte durch Verbundstoffe; vor allem aus Kohlefasern, die durch Kunstharze verleimt und dann verbacken werden - kohlefaserverstärkte Kunststoffe. Aus diesen Materialien sind zum Beispiel auch Flugzeugteile, Surfbrettmasten und Rennradrahmen.

Durch die Möglichkeit, hohle Kohlenstoff-Fasern zu verwenden, die von ihrer Struktur her den Holzfasern im Blatt ähneln, hat zum Beispiel Harry Hartmann mit Fiberreed vor einigen Jahren ein bereits ziemlich brauchbares Blatt hergestellt. Ich habe mir damals aus Neugier so ein Blatt für die Bassklarinette gekauft. Für meinen Geschmack sprach es nicht wirklich gut im Pianissimo an und war immer noch viel zu glatt an der Oberfläche für meine Unterlippe. Ähnlich wie ein etwas schweres, nicht gut eingespieltes Blatt. Aber es war schon beeindruckend, wie gut es im Vergleich zu anderen Kunststoffblättern war, die ich vorher ausprobiert hatte.

Eine Zwischenform sind Plastic-Cover Blätter: hier wird ein traditionelles Blatt mit einer sehr dünnen Kunststoffschicht überzogen. Die Idee ist, das Holz durch eine Beschichtung vor der Flüssigkeit zu schützen und es länger haltbar zu machen. Ich habe keine Erfahrung mit dieser Lösung, sie ist in Deutschland auch nicht besonders verbreitet.

Mittlerweile (ich schreibe das 2020) gibt es schon so gute Blätter aus Kunststoff, dass ich zum Beispiel für meine Kontra-Altklarinette ein solches Blatt nehme. Es ist wesentlich unempfindlicher als die Natur-Blätter, man bindet es auf und es geht, sofort, immer, auch trocken - denn es saugt sich ja nicht voll - und spricht an, ohne jemals eine hässliche Überraschung. Und noch etwas spricht dafür: mit knapp 20 EUR pro Blatt und einer voraussichtlichen Haltbarkeit von mehreren Jahren ist das Blatt auch einfach *viel* billiger, als eine Packung der großen und teuren klassischen Kontra-Blätter. Und bei einer Kontra-Alt-Klarinette, die man meist in Konzerten an nur ganz wenigen Stellen eingesetzt wird, kommt es vor allem auf Zuverlässigkeit beim Einsatz und nicht auf das allerletzte Bisschen möglichen musikalischen Ausdruck an - und für mich sind Nachteile nicht zu spüren.

Die Rolle des Blatts bei der Tonerzeugung

Das Blatt wird am Mundstück der Klarinette befestigt, so dass nur noch ein ganz schmaler Spalt zwischen Blatt und Mundstück offen bleibt. Umschließt man das Mundstück und das Blatt der Klarinette mit den Lippen und bläst hinein, entsteht ein Ton. Genaugenommen wirkt das Blatt zusammen mit dem Mundstück wie ein Ventil, das sich öffnet und (nahezu) schließt: Die Luft drückt das Blatt gegen die Öffnung des Mundstücks, so dass der Luftstrom fast unterbrochen wird. Weil das Blatt elastisch ist, schwingt es sofort zurück und gibt die Öffnung wieder frei. Dann strömt die Luft wieder hinein, das Blatt wird wieder gegen die Öffnung gedrückt und so weiter. Das passiert zwischen hundert bis hin zu ein paar tausend Mal pro Sekunde. Es entsteht eine gepulste Luftsäule in der Klarinette. Deren Schwingung hören wir als Töne.

Detaillierter ist das Entstehen des Tons hier beschrieben.

Physische Anforderungen an Blätter

Blatt im Gegenlicht

Damit das Blatt die schnellen Schwingungen gut mitmacht, muss es am vorderen Ende extrem dünn sein, typisch sind 0,08 mm. Dabei muss es aber auch ausreichend fest und elastisch sein, auf beiden Seiten praktisch völlig gleiche Schwingungs­eigenschaften haben und sich unter den extremen Bedingungen des Schwingens auch nicht verändern. Schnell vergisst man, dass es sich eigentlich um einen Stück Schilfrohr handelt. Sobald das Blatt im Mund ist, wird es ja auch feucht und darüber hinaus auch noch um 30 -36 °Celsius warm. Das sind keine guten Bedingungen für Holz. Wenn man das alles bedenkt, ist jedes funktionierende Blatt ein kleines Wunder.

Die Regionen des Blattes

Den gesamten abgehobelten Bereich nennt man Ausstich. Die Farben zeigen in etwa Bereiche gleicher Stärke (wie bei Höhenlinien).

Regionen des Blattes

Die Blattspitze (weiß) ist die dünnste und sensibelste Region, sie ist für hohe Schwingungen und die Ansprache des Blattes verantwortlich.
Den schwarz umrandeten Bereich nennt man Blattherz.

Die Seiten oder Flanken neben dem Herz sind wichtig für die Balance.
Den Bereich unterhalb des Herzens nennt man Schulter,
hier ist das Blatt sehr dick und schwingt praktisch nicht.

Den unbearbeiteten Bereich nennt man Schaft oder Rücken.

Die Sägefläche am unteren Ende nennt man Sohle-Schnitt.

Stärkeklassen (Härte)

Für die Stärke oder Härte werden zwei Begriffspaare benutzt:

Ein Blatt ist schwer / hart oder leicht beziehungsweise weich.
Im Englischen spricht man vor allem von "hard" und "soft".

Gemeint ist damit die Ansprachefähigkeit bzw. die Leichtigkeit, mit der ein Blatt schwingt. Verbunden ist mit der leichten Ansprache ein stärkeres Schwingen und mit schwererer Ansprache ein weniger ausgeprägtes Schwingen. Natürlich hat das vor allem mit der Form des Ausstiches, insbesondere mit der Stärke bzw. Dicke des Blattes im vorderen Bereich an der der Spitze und dessen Länge zu tun: Ein ganz dickes "Brett" oder ein Blatt mit einer sehr kurzen Spitze schwingt nur schwer, und einem ganz dünnen Blatt fehlt die Elastizität; es biegt sich nicht mehr ganz zurück. Irgendwo dazwischen liegt ein brauchbarer Kompromiss.

Je nach Hersteller bekommen die verschiedenen Blattstärken unterschiedliche Bezeichnungen. Typisch sind Zahlen wie 1 - 5, zum Teil in ½ - Schritten, also 1, 1½, 2, 2½ und so weiter bis 5. Dabei ist 1 am leichtesten und 5 am schwersten. Bei einem normalen Mundstück und durchschnittlicher Lippenfitness wird ein klassischer Klarinettist in der Regel mit 2½ oder 3 spielen.

Die Übergänge der Stärkeklassen sind fließend, und von Blatt zu Blatt gibt es auch noch natürliche Schwankungen. Bei industrieller Massenfertigung (wie z.B. bei Vandoren) sind die Unterschiede (also die Abweichung vom Durchschnitt) nur noch gering, das gilt auch bei hochwertigen und teuren kleineren Anbietern (wie "sinus" oder Alexander Willscher), wo jedes Blatt vom Hersteller ausprobiert und korrigiert wurde - das steht dann auch auf der Packung und macht die Blätter natürlich teurer. Früher hat man damit gerechnet, dass aus einer Packung von 10 Blättern 6-7 ganz brauchbar waren und regelmäßig noch bearbeitet werden mussten. Heute sind z.B. bei Vandoren eher 8-9 von 10 sehr gut und eines OK, nur selten muss ich noch Blätter aus der Packung direkt wegwerfen.

Ein ganz neues Blatt erscheint - so lange es noch nicht eingespielt ist - immer etwas schwer. Das liegt daran, dass die langen Fasern beim neuen Blatt noch sehr stark mit einander verklebt sind, und dieser Klebstoff (vor allem Lignin) noch trocken ist. Wenn das Blatt feucht wird und beim Spielen stark schwingt, werden die weniger festen "Verklebungen", die man sich eher wie Kitt zwischen den Fasern vorstellen muss, wieder elastisch und lösen sich auch zum Teil. Die Fasern - und damit das Blatt - können sich dann leichter bewegen. Mit der Zeit werden auch die haltbareren Verbindungen durch die Dauerbelastung der Schwingungen und angeblich auch durch die Enzyme im Speichel angegriffen (ob der Speichel hier wirklich wirkt, ist umstritten). Das Blatt wird langsam aber unaufhaltsam weicher, bis es nicht mehr ausreichend schwingt. Natürlich leidet das Blatt besonders stark an der hauchdünnen Spitze. Man kann diese Spitze jetzt etwa einen bis zwei Millimeter abschneiden (mit speziellen Blattschneidern). Danach ist das Blatt natürlich viel zu schwer und unausgeglichen. Jetzt schleift man vorsichtig den dickeren Teil mit einer Nagelfeile und den dünneren mit einem Stück Schachtelhalm (immer schön von der Schulter zur Spitze hin, nie umgekehrt) so ab, dass das Blatt etwa wieder in die alte Form kommt, nur eben einen oder zwei Millimeter kürzer. Das ist aufwändig und klappt nicht immer. Und irgendwann wird es Zeit, das Blatt wegzuwerfen. Abhängig von der Benutzung und des Typs der Blätter kann das nach 50 - 100 Stunden spielen der Fall sein, das kann abhängig vom Üben also ein paar Monate dauern, manchmal auch ein Jahr, wenn man immer abwechselnd auf mehreren Blättern spielt.

Leichte oder weiche Blätter (kleiner 2)

Anfänger nehmen für den Anfang erst mal etwas leichtere Blätter, 2 oder leichter, weil sie dann leichter einen vernünftigen Ton aus dem Instrument herausbekommen.

Leichte Blätter fangen leicht an zu schwingen und schwingen dann auch stark - sie eignen sich also für sehr leise Töne, und es ist wesentlich weniger anstrengend, lange drauf zu spielen als auf schweren Blättern, bei denen man schnell einen Wangenmuskelkater bekommt. Der Ton ist auch leichter anzupassen - also zu korrigieren, und Glissando geht wesentlich einfacher.

Dafür quietscht ein leichtes Blatt schneller, und weil es stark schwingt, kommt es beim Fortissimo schon vor, dass es beim Abwärtsschwingen auf die Bahnflanken aufschlägt. Das äußert sich in einem eher scharfen, schreienden Ton (die ansonsten runden Sinuswellen sind an einer Seite einfach abgehackt).

Man nimmt eher leichtere Blätter, wenn man wie folgt spielen möchte:

Schwere oder harte Blätter (größer 3)

Auf schweren Blättern einen Ton zu erzeugen ist schwieriger als auf leichten, weil ihr schwingender Bereich dicker ist, damit nicht so biegsam und deshalb nicht so schnell anfängt zu schwingen.

Es fällt vor allem nicht so leicht, leise einzusetzen. Schwere Blätter rauschen verhältnismäßig stark, weil die Spitze sich nur sehr wenig bewegt, und so der Spalt zwischen Blatt und Mundstückbahn immer relativ weit offen bleibt. Sie lassen sich nicht so gut mit dem Ansatz dämpfen, und es besteht immer die Gefahr, dass sie lauter losgehen als man möchte.

Vorteil von schweren Blättern ist aber, dass ein schweres Blatt so gut wie nie beim Schwingen mit der Spitze auf die Bahn aufschlägt. Die Spitze schwerer Blätter tendiert kaum dazu, unkontrolliert zu flattern oder auf einer Seite anders als auf der anderen zu schwingen, was zum Quietschen führen würde. Man kann also mit schweren Blättern gut sehr laut spielen, ohne das der Ton anfängt zu kreischen.

Wenn es um folgendes geht, sollte man eher schwere Blätter nehmen:

Blätter mittlerer Schwere/Härte (zwischen 2 und 3)

Wenn es auf ausgewogene Eigenschaften ankommt, also einen schönen Ton und weite Dynamik, weil man z.B. ein Solo spielt, leise einsetzen muss, es aber nicht quietschen darf, braucht man ein mittleres Blatt.

Grundsätzlich sollte ein Spieler mit mehr Erfahrung versuchen, langsam mit schwereren Blättern (etwa 3 oder 3½) klarzukommen - natürlich gibt es einen Trainingseffekt für Lippen und Wangenmuskeln. Wenn man eine Stunde locker damit klarkommt, ist ein etwas schwereres Blatt auch für einen Amateur vorteilhaft. Man muss es natürlich auch nicht übertreiben und "Bretter" spielen.

Und mit der Zeit werden Blätter beim Spielen ohnehin weicher und leichter. Typischerweise ist ein sehr altes Blatt eine ganze Stärke leichter als ein gerade eingespieltes. Man muss also regelmäßig immer wieder neue Blätter verwenden - möglichst alle paar Wochen ein neues Blatt einspielen, dann hat man auch immer eine genügende Auswahl verfügbar, vor allem, wenn auch mal eins kaputtgeht.

Kauf und Hersteller

Es gibt dutzende von Herstellern, die zum Teil lokal in Deutschland - wie Willscher, Steuer - oder auch international etabliert sind, wie vanDoren oder Rico. Normalerweise werden Blätter in Packungen zu 5 oder 10 Stück verkauft, im Musikladen manchmal auch einzeln. Je nach Hersteller muss man damit rechnen, dass man bei zehn Blättern in der Schachtel mit 2 bis 5 nicht ohne weiteres zurecht­kommt.

Natürlich kann man Blätter, auch wenn man sie einzeln im Geschäft kauft, nicht ausprobieren, aber einigen kann man schon von Farbe und Maserung oder Faserverlauf ansehen, dass sie nichts taugen - wenn man einzelne kauft, muss man die ja nicht nehmen. Der Verkäufer ist davon sicher nicht begeistert, und je nach Sitten vor Ort und Bekanntheitsgrad wird er versuchen, das abzulehnen... Und wenn man eine Packung kauft, geht das auch nicht. In letzter Zeit kommen Blätter auch in der Packung immer öfter in einer Folie eingeschweißt - ähnlich wie Müsliriegel. Das verhindert natürlich ein völliges Austrocken, aber andererseits sieht man auch erst bei Öffnen, was man bekommt.

Umgang mit Blättern

Es gibt fast so viele Ansichten zum Umgang mit Blättern wie es Klarinettisten gibt, und oft genug widersprechen sich diese Ansichten auch noch. Zumindest herrscht weitgehend Einigkeit darin, dass man Blätter "einblasen" sollte, also zu Beginn - auf einem neuen Blatt - nicht mehr als 15 Minuten am Stück spielt. Das mag sich merkwürdig anhören, aber die meisten erfahrenen Klarinettisten machen das so, und weil Blätter am Anfang auch etwas schwer sind, schadet es nicht.

Ich finde darüber hinaus sehr interessant, was die Oboisten mit ihren Rohren machen - schließlich sind die aus dem gleichen Material, aber deutlich empfindlicher und teurer. Blätter und Rohre müssen vor dem Spielen zumindest in der Spitze völlig feucht sein, sonst kann man nicht darauf spielen. Wir Klarinettisten feuchten unsere Blätter meist mit Spucke an, dazu nehmen wir sie einfach in den Mund. Die meisten Oboisten nehmen Leitungswasser. Sie haben dafür auch eine plausible (aber umstrittene) Begründung:

"Blätter bestehen aus Zellulosestruktur. Wie ein Schwamm sind sie im trockenen Zustand porös und absorbieren Wasser. Genau wie ein Schwamm im trockenen Zustand nicht gut wischt, funktionieren sie nicht, wenn sie trocken sind. Deshalb müssen sie angefeuchtet werden. Dazu sollte man Leitungswasser benutzen, nicht Spucke. Speichel enthält Enzyme, die die Proteine in der Zellulose des Blattes anlösen können. Das führt dazu, dass die Elastizität des Blattes schnell nachlässt. Wenn sich das Blatt erst mit Leitungswasser vollgesogen hat, kann man es ruhig in den Mund nehmen, dann dringt nicht mehr so viel Spucke in die Blattstruktur hinein."

Natürlich sind Klarinettenblätter nicht so sensibel und viel preisgünstiger als Oboenrohre, aber was die Lebensdauer eines Oboenrohrs erhöht, schadet dem Klarinettenblatt sicher nicht. Und der Aufwand ist gering: Oboisten haben immer ein kleines Wasserglas dabei, oder, praktischer, eine Foto-Filmdose. So etwas findet man noch in Drogerien, wo Fotos abgegeben werden. Die füllt man bei Probe oder Konzert am Waschbecken der Toilette und kann dann seine Blätter überall darin anfeuchten. Und wenn man spielt, macht man die Dose zu, so dass es beim Umkippen kein Malheur gibt!

Lagerung und Transport

Grundsätzlich sollte man seine Blätter schonend behandeln und nach dem Spielen in Blätterkästen aufbewahren. Dann sind sie vor den übelsten Einflüssen geschützt und können keine Wellen schlagen (die dünne Spitze trocknet manchmal nicht flach aus, sondern in Querrichtung gewellt - so wie nass gewordene Buchseiten). Die abgebildeten Behälter sind vergleichsweise preiswert, praktisch und haben sich bewährt. Sie sind übrigens ein prima Geschenk für Klarinettisten, die noch immer Blätter in den Pappkartons oder Plastik-Haltern der Hersteller transportieren!

Lohnt es sich, unfertige Blätter (Rohlinge) zu kaufen?

Blätter kommen spielfertig aus der Packung und sind in ihrer Stärke vorsortiert. Rohlinge sind grob vorgehobelte Blattabschnitte mit glatter Unterseite und "grobem" Ausstich. An denen muss man in der Regel noch eine Menge machen. Sie kosten dafür wesentlich weniger als Blätter - aber sie kommen in 100-Stück-Kartons. Der Zeitaufwand und die nötige Erfahrung, sie spielfertig zu machen, ist erheblich. Rohlinge zu kaufen und zu bearbeiten lohnt sich nur, wenn man einen erheblichen Verbrauch hat und das Blätterbauen (oder genauer: das Überarbeiten) ernsthaft betreiben will. Das gilt auch für die Investition in präzise Kopier-Hobel- und -schleifmaschinen, Stärkemessgeräte und die übrigen handwerklichen Ausstattungen. Für Oboisten und Fagottisten ist das ja eher normal, aber deren Rohre kosten - wenn man sie fertig kaufen wollte - auch ein Vielfaches gegenüber dem Klarinettenblatt und sie müssen selbst dann meist noch angepasst werden.

Für die meisten Amateurklarinettisten ohne Profi-Ambitionen oder sehr viel Zeit lohnt es sich also wohl nicht. Das gilt auch für mich - ich werde wohl weiterhin nur noch fertige Blätter kaufen. Dazu passt ja, dass in den letzten Jahren die Qualität der Standardprodukte gut ist und Abweichungen und Ausschuss abnehmen.

Ausprobieren von Blättern

Bevor man ein Blatt ausprobiert, sollte man sicher sein, dass die Klarinette völlig in Ordnung ist, vor allem die Klappen völlig decken und keine Luft irgendwo entweicht, weil sonst Zischen, Quietschen und andere Probleme auftreten können, die aber nichts mit dem Blatt zu tun haben. Wie man das sicherstellt, steht im Kapitel Wartung.

Wenn man ein neues Blatt aus dem Karton nimmt, ist es ausgetrocknet, auch die eingeschweißten (wenn auch in geringerem Maß). Trockene Blätter schwingen nicht gut, deshalb muss man sie erst einmal anfeuchten - man hält sie unter den Wasserhahn oder legt sie in ein Glas mit Leitungswasser (Marmeladengläser sind gut, weil man sie zuschrauben kann!). Es braucht etwa 3-5 Minuten, bis die Spitze auch im Inneren feucht ist.

Dann sieht man sich die Blattunterseite an: Sie muss jetzt völlig eben sein. Am besten legt man das Blatt dazu auf eine kleine Glas- oder Plexiglasplatte. Die Blattspitze muss flach aufliegen und darf keine Wellen bilden. Man bindet oder schraubt das Blatt auf das Instrument und probiert es aus:

Zuerst die tiefe Lage und das g'". Beides sollte gut gehen (auch im Piano ohne viel Rauschen).

Dann prüfen, ob beide Seiten gleichmäßig sind - dazu hält man einen Ton aus und dreht die Klarinette im Mund hin und her. Das hindert einmal die linke Seite, einmal die rechte Seite des Blattes am freien Schwingen. Unterschiede sind so leicht zu erkennen.

Dann testet man ein paar problematische Bindungen. Klappt alles? Prima!
Gibt es Probleme? Dann lass das Blatt noch mal im Wasser liegen, und probiere es später wieder. Wenn das nichts ändert, geht das Bearbeiten los - oder man wirft bei hoffnungslosen Fällen das Blatt gleich weg.

Gibst Du Blättern einen Namen!?

Vielleicht muss man seinen Blättern keine Namen geben, aber die meisten ernsthaften Klarinettisten machen sich Notizen auf dem Blatt, sobald sie sich sicher sind, wie das Blatt ist - und um sie unterscheiden zu können. Wenn man viele Blätter hat, kann man die schnell verwechseln. Gerade makellose Blätter sehen fast gleich aus. Und welches war denn noch das, was gerade leicht genug war, um die zwei Stunden Konzert gut durchzuhalten? Ein wischfester Folienschreiber (CD/DVD-Marker) schreibt gut auf dem nicht gehobelten Blattrücken, wo man das Blatt auch nicht verletzt - und diese Stelle sieht man auch im Blätterkasten.

Bearbeiten von Blättern

Wie man Blätter bearbeitet (leichter machen, schwerer machen, Seiten ausgleichen, Quietscher bekämpfen) ist in einem eigenen Kapitel beschrieben: Bearbeiten von Blättern